EuGH-Urteil zu Berechnung von Mehrarbeitszuschlägen

Das Bundesarbeitsgericht ersuchte den Gerichtshof der Europäischen Union nach Art. 267 AEUV um Vorabentscheidung. Thema ist die Regelung in Tarifverträgen, bei denen bezahlter Jahresurlaub bei der Berechnung von Mehrarbeitszuschlägen bislang nicht berücksichtigt wurde. Die bisher geltenden Regelungen verstoßen gegen das EU-Recht, wie aus einem jüngsten Urteil des Europäischen Gerichtshofes in Luxemburg hervorgeht. Hintergrund dieses Urteils war ein Streit, bei dem es um genau diese Vereinbarung im Manteltarifvertrag für Zeitarbeit in Deutschland ging.

Ein Arbeitnehmer klagte gegen das bislang gültige Gesetz und der Rechtsstreit ging dabei vom Landesarbeitsgericht Hamm bis vor das Bundesarbeitsgericht (Rechtssache C-514/20).

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Europäischer Gerichtshof nimmt sich Rechten von Zeitarbeitern an

Bei der Klage ging es also ganz konkret um die Regelung für Mehrarbeitszuschläge, welche mit dem aktuell gültigen EU-Recht nicht vereinbar sei. Der bislang gültige Tarifvertrag sieht vor, dass Zeitarbeitnehmer ab einem bestimmten Arbeitspensum einen Zuschlag erhalten sollen. Die Bedingungen sind hier, dass der Zeitarbeiter in einem Monat mit 23 Arbeitstagen einen Zuschlag in Höhe von 25 % seines Gehaltes erhält, sofern er in diesem Monat mehr als 184 Stunden gearbeitet hat. Problematisch an dieser Regelung ist jedoch, dass nur die tatsächlich erbrachten Stunden in die Berechnungen mit einfließen. Urlaubstage wurden dabei bisher von den geleisteten Stunden abgezogen. Wenn ein Arbeitnehmer in einem Monat also den ihm zustehenden unbezahlten Urlaub genommen hat, den restlichen Monat aber sehr viele Überstunden geleistet hat, wurde ihm der Anspruch auf einen Zuschlag verwehrt, da die Urlaubszeit von den im Tarifvertrag vereinbarten 184 Stunden abgezogen wurde. Das beutetet, dass in den Monaten, in denen Zeitarbeiter Urlaub in Anspruch nehmen, fast nie und nur selten Zuschläge für Mehrarbeit gezahlt werden.

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Genau diese Situation betraf den Leiharbeiter, welcher nun gegen diese Vereinbarung klagte. Im August 2017 arbeitete er an 13 Tagen und entrichtete in dieser Zeit viele Überstunden. Für die anderen 10 Arbeitstage nahm er bezahlten Urlaub. Wären diese ordnungsgemäß mit dem im Tarifvertrag vereinbarten Stundensatz in die Berechnungen mit eingegangen, so hätte er aufgrund der Mehrarbeit einen Zuschlag in Höhe von 25 % erhalten. Der Arbeitgeber zog die Stunden des Urlaubs jedoch tarifgemäß von den 184 Stunden ab, sodass die Schwelle für einen Zuschlag nicht überschritten wurde.

Der betroffene Leiharbeiter erhielt somit keinen Zuschlag und reichte Klage ein. Der Europäische Gerichtshof hat sich der Sache angenommen und stärkt nun die Rechte von Leiharbeitskräften bei der Berechnung von Zuschlägen für Mehrarbeit. Somit sollen bezahlte Urlaubstage künftig in die Berechnung von Überstundenzuschlägen mit eingehen.

Mehr Recht: In der Reform der Ampel-Regierung gibt erste Überlegungen zu der umstrittenen Höchstüberlassungsdauer von Leiharbeitskräften. Aktuell beträgt diese 18 Monate, was bedeutet, dass ein Arbeitnehmer maximal 18 Monate bei einem Unternehmen tätig sein kann. Leider wird mit dieser Vereinbarung das Risiko erhöht, dass der Arbeitnehmer nach seinem Einsatz in die Arbeitslosigkeit gerät. Die Europäische Union will dem ebenfalls entgegenwirken, da auch die grenzüberschreitende Arbeitsüberlassung gerade in Zeiten der Krise immer relevanter wird.

Zeitarbeit und die neue Ampel-Regierung

EuGH: Bezahlter Urlaub soll Gesundheit schützen

Der Grund für dieses Urteil ist, dass das Bundesarbeitsgericht vermutet, dass Arbeitnehmer bei den aktuell geltenden Tarifverträgen dazu ermutigt werden könnten, auf ihren Mindesturlaub zu verzichten. Wenn ein Arbeitnehmer viele Überstunden ableistet und normalerweise einen Zuschlag erhalten würde, auf diesen jedoch verzichten muss, weil er in dem jeweiligen Monat bezahlte Urlaubstage in Anspruch nimmt, wird dieser sich das vermutlich zweimal überlegen. Die Regelung stellt somit einen unzulässigen finanziellen Anreiz dar, auf freie Tage und Erholung zu verzichten. Denn schließlich muss der Arbeitnehmer keine Mehrarbeit leisten, um den Zuschlag zu erhalten. Ganz im Gegenteil! Durch die erbrachten Überstunden hat er einen Anspruch darauf, auf jedoch unter Umständen in den Monaten verfällt, in denen er seinen Urlaub in Anspruch nimmt.

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Bezahlter Urlaub soll jedoch die Gesundheit schützen und steht jedem Arbeitnehmer zu. Im Prinzip kommt es auch Arbeitgebern zugute, wenn Arbeitskräfte regelmäßige Erholungsphasen haben, um neue Energie zu tanken. Wer finanziell jedoch schlecht aufgestellt ist, kann es sich oft nicht leisten, auf finanzielle Zuschläge durch Überstunden zu verzichten.

Viele Arbeitgeber sehen den Nutzen von bezahlten Urlaub jedoch nicht, weshalb es ihnen in vielen Fällen recht ist, wenn Arbeitnehmer den ihnen zustehenden Urlaub nicht in Anspruch nehmen. Andersherum spart der Arbeitgeber sich den Zuschlag, sofort der Leiharbeiter doch bezahlten Urlaub nimmt. Beide Situationen stellen für Arbeitgeber finanzielle und auch personaltechnische Vorteile dar. Ihnen wird mit dieser Regelung die Möglichkeit gegeben, Leiharbeiter dazu zu bewegen, auf bezahlten Urlaub zu verzichten. Natürlich steht nicht bei jedem böse Absicht dahinter und nicht jeder Arbeitgeber nutzt diese Regelung aus. Doch alleine die Tatsache, dass diese Möglichkeit besteht, widerspricht den europäischen Gesetzen für Arbeitnehmerrechte.

Finanzieller Anreiz kritisch

Denn selbst wenn der Arbeitgeber den Urlaub zuvorkommend einräumt, entscheidet immer noch der Arbeitnehmer, ob er ihn wirklich in Anspruch nehmen möchte. Sofern es einen finanziellen Anreiz gibt, dies nicht zu tun, wird die Situation kritisch. Nicht umsonst ist es in allen Tarifverträgen fest vereinbart, dass Arbeitnehmer ein Recht auf bezahlten Jahresurlaub haben. Diese dienen dem Arbeitnehmer zur Regeneration und somit letztendlich auch dazu, die eigene Sicherheit und Gesundheit zu schützen.

Weiterhin ist es die Pflicht eines jeden Arbeitgebers sicherzustellen, dass der Arbeitnehmer diese Erholungsphasen auch bekommt. Im Gesetz heißt es, dass jede Praxis oder Unterlassung des Arbeitgebers, welche den Mitarbeiter davon abhalten können, den bezahlten Mindesturlaub in Anspruch zu nehmen, gegen dieses Ziel verstoße. Damit stellte sich der Europäische Gerichtshof nun hinter die Arbeitnehmer. In diesem konkreten Fall muss jedoch noch das Bundesarbeitsgericht die Entscheidung treffen. Die Richter in Luxemburg teilten aber bereits mit, dass Arbeitnehmer gute Chancen auf eine Änderung der Tarifverträge haben.

Fazit

Sofern die Regelung in den Tarifverträgen geändert würde und bezahlte Urlaubstage in die Berechnung der Überstundenzuschläge mit einfließen, hätte es für Leiharbeitnehmer keine finanziellen Vorteile mehr, auf die bezahlten Urlaubstage zu verzichten. Ob und wann die entsprechende Änderung im Gesetz vorgenommen wird, entscheidet jetzt das Bundesarbeitsgericht.

Quellen

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